Fitness / Ernährung

Back to Stone Age? – Paleo Ernährung

In keiner Zeit wie dem Winter boomen die Diättipps besonders und treiben kuriose Blüten. Dies natürlich auch unter Sportlern. Insbesondere im Ausdauersport ist eine bewusste Ernährung ja unablässlich. Gerade im Winter wird an der Figur gefeilt, die waghalsigsten Diätmanöver ausprobiert. Denn über den Winter werden die Sieger der neuen Saison gemacht! Das erfolgreichste Tuning beginnt bekanntlich aber beim Ritzelpiloten selbst.

Wer neben FdH und Suppendiäten auf Sinnvolles setzen möchte, greift auf Ernährungsformen zurück, die bisweilen eher „unmodern“ scheinen.
So schwappte die sog. Paleo Ernährung übers Land. Eine Ernährungsform wie sie den Menschen in der Steinzeit nachgesagt wird – für die Menschen der Postmoderne. Kann das klappen? Was ist neu an dieser „Diät“ – oder anders gefragt: ist es überhaupt eine? –  Ein Blick hinter die Kulissen.

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Sportlich aktive Menschen ernähren sich von Hause aus bewusst(er), oftmals sicherlich auch gesünder als Otto Normal. Möchte man zumindest meinen. Glaubt man Statistiken, so ist neben einer Zunahme an Bio-Ernährern unter Athleten in den letzten zwei, drei Jahren auch die Zahl der Vegetarier, Pescetarier, Veganer und Frutarier ebenfalls signifikant angestiegen.

Ist Paleo doch auch wieder „nur“ Geld- und Effekthascherei? Oder doch eine lohnenswerte, sinnvolle Ernährungsform, die man durchaus in Betracht ziehen sollte?
Diesen und anderen Fragen muss sich jede „abnormale Ernährungsform“ stellen. Dabei ist sie nicht abnormal – höchstens anders.
Die Skepsis gegenüber der ’neuen“ Ernährungsform einer Paleo Ernährung scheint jedoch hartnäckiger und größer zu sein. Vielfach ist sie auch begründet – oftmals aber leider mehr Vorurteil. Vorurteile sind einige im Umlauf und bedürfen einer Korrektur. Denn so verkehrt, wie es landläufig gern dargestellt wird, ist die Überlegung einer Paleo Ernährung nicht.

Was ist also Paleo?

Die Paleo Ernährung – oder auch Steinzeit-Diät genannt – verfolgt das Ziel sich von vollwertigen & gesunden Nahrungsmitteln zu ernähren, von denen sich auch schon unsere „Jäger & Sammler- Vorfahren“ ernährt haben.
Der menschliche Körper hatte seit der Einführung der Landwirtschaft und des Ackerbaus vor rund 10.000 Jahren nicht ausreichend Zeit, um sich im Rahmen der Evolution an die neue Art von Nahrungsmitteln wie Getreide, Milchprodukte etc. anzupassen.
Ergebnis: Verdauungssysteme und -mechanismen sind an die heutige Massenernährung nicht optimal angepasst.
Unser Genpool ist nahezu unverändert und dafür ausgelegt, die gleichen Nahrungsmittel zu konsumieren wie unsere Vorfahren aus der Altsteinzeit (bis ca. zur neolithische Revolution).
Resultat: Milch- und Getreideprodukte bilden nicht nur eine Nahrungsmittelgruppe, welche erst seit der Einführung von Ackerbau und Viehzucht verfügbar sind, sondern sind dazu die vom menschlichen Organismus nur bedingt verstoffwechselbar.

Soweit die Theorie

Diese wird aber besonders dadurch untermauert, dass in den letzten Jahrzehnten bedingt durch ein Nahrungsüberangebot (Massentierhaltung, überproportionaler Anteil an Getreideernährung z.B.) und veränderte Lebensweisen (Sesshaftigkeit, Altersstruktur, Bewegungsmuster z.B.) vermehrt eine ungesunde Lebensweise um sich gegriffen hat, was zu gesundheitlichen Problemen (Addipositas, Diabetes Typ II, Lactose-, Gluten- und/oder Fructose-Intoleranzen, koronare- und dermatologische Erkrankungen o.ä.) beim Großteil der Bevölkerung führte. Natürlich sind auch Sportler davon betroffen und „leiden“ unter diesen Umständen.
Während das Grand der „Ökos“ ethnische, ethische und/oder religiöse, selten rein gesundheitliche Beweggründe für ihre Ernährungsform anführt, sind auch bei der Paleo Ernährung nicht direkt Vorurteile angebracht. Denn auch bei der Paleo Ernährung handelt es sich um eine bewusste Ernährungsform, wenngleich diese nun aber besonders rein biologische und genetische Vorgaben des Individuums berücksichtigt.

Des Pudel’s Kern…

Einmal eine Lupe auf seine biologischen Möglichkeiten werfen und daraufhin die Ernährung anpassen. Machen wir nämlich leider viel zu selten – und oftmals gezwungen oder „falsch“. So vollzieht der Mensch oftmals nur kopierte Verhaltensweisen – die nicht zwingend für das Individuum passend und sinnvoll sind. Gegenentwurf: Vegetarismus/ Veganismus. Wer sich vegetarisch / vegan ernährt, lebt gesünder und länger. Biologisch-medizinisch belegt. Aber nicht für jeden Ernährungstypus ist das ideal. Denn die Krux ist, dass auch tausende Jahre nach der neolithischen Revolution für 90% der Erdbevölkerung noch immer gilt: nicht alles ist gut für uns. Es gibt Organismen, die mehr tierische (Jäger), andere mehr pflanzliche Produkte (Sammler/ Ackerbauer) ‚besser‘ verstoffwechseln und nutzen können. Dazu kommt, dass der individuelle Biorhythmus steuert, was wir wann am besten überhaupt verwerten können und wann bestimmte Lebensmittel vom Körper instinktiv als Notreserven an die Hüfte getackert werden. Da der moderne Mensch leider nicht mehr auf kilometerweite Jagden gehen muss für sein Nahrungsbeschaffung, ist die Energiedichte und die bevorzugte Nahrungswahl alles andere als Ideal.  Daraus resultieren Allergien und Kreuzerkrankungen wie Laktose-, Gluten- oder Fructose-Intoleranzen, Addipositas oder Diabetes Melitus Typ II. Um dies zu vermeiden, sich idealer und gesundheitsförderlicher zu ernähren, sollte der „moderne Mensch“ also auf gewisse bequeme Ernährungsformen (Fast Food, zu fettige, rein tierische Lebensmittel, zu große Portionen o.ä.) verzichten und seiner Ernährung mehr Aufmerksamkeit schenken.

Bitte beachten: bei einer Umstellung auf Paleo Ernährung geht es nicht um eine Nachahmung 1:1, sondern um eine Nachorientierung an einer Ernährungsweise, die mit vollwertigen Lebensmitteln zu einer besseren Gesundheit führt, da der menschliche Körper durch Jahrhunderte lange Evolution an diese Ernährung z. T. bereits angepasst wurde.

Vosicht Diät-Falle!

Die Paleo Ernährung ist alles andere als ein Trend oder „wieder nur so eine Werbemasche“. Und auch wenn sie gerne als solche bezeichnet wird, die Paleo Ernährung ist KEINE Diät – weder im klassischen, noch im sonstigen Sinne.
Sie ist die wissenschaftlich bewiesene und individuell ausführbare Ernährungsform für den Homo Sapiens der Moderne. Und sie ist genauso nicht abnormal wie jede andere Ernährungsform.
Natürlich bedarf es einer gewissen Disziplin und Umstellung auf diese geänderten Umstände sich einzustellen, bekannte Trampelpfade zu verlassen, um sich von innen etwas Gutes zu tun. Und genau da liegt der Haken. Wer möchte schon seinen Trampelpfad verlassen??

Nebenbei aber einmal angemerkt: Diäten haben auch ihren Sinn – betrachten im meisten Fall allerdings immer nur einen Aspekt zur Problemlösung. Und deshalb kommt es zum Jojo-Effekt.
Bei einer Anpassung der Ernährung auf das Modell Steinzeit bedient man sich einem vielschichtigem Umstellmodus, greift verschiedene (Fehl-) Verhaltensmuster auf, um langfristig zum gesundheitlichen Erfolg zu führen. In dem Sinne also nichts für „Hauruckmenschen.“
Der Erfolg dieser Ernährungsmethodik gibt ihr aber auch zugleich recht: sie ist individuell umfassend.

Während viele auf (oftmals zu viele) Kohlenhydrate für mehr Ausdauer schwören, gibt es die Gegenbewegung „LowCarb“ (teilweiser bis völliger Verzicht auf „leere“ Kohlenhydrate) bzw. Ketose (Deckung der Energie durch eiweiss- und/oder fettreiche Ernährung), welche wiederum genau das Gegenteil propagieren.
Der Goldene Weg liegt medizinisch wie biologisch irgendwo dazwischen. Und hier setzt nun die Paleo Ernährung an.

Für Sportler – sekundär ob Ausdauer- oder Kraftbereich – ist eine ausgewogene Ernährung essentiell, um das individuelle Potential auszuschöpfen und ggf. auch noch mehr heraus zu kitzeln. Begeht man nun einen ernährungstechnischen Fauxpas, trainiert man an sich vorbei.
Perspektive neuer (Radsport-) Saison ist nun also die korrekte Zeit, um sich über solche Fauxpas klar zu werden, die Bremse zu ziehen und umzudenken. Und man muss längst nicht alles wegwerfen, die heiss geliebten Gewohnheiten alle beiseite schieben.  😉

Was bringt Paleo nun für Radsportler?

Sehr viel! Für alle jene, die sich ‚eh‘ bewusst ernähren, bringt die Paleo Ernährung vor allem eines: eine Optimierung der individuellen Abläufe von Training und Alltag in effektiver Symbiose zur Ernährung und Lebensart.
Und dies beinhaltet nicht nur eine bewusste Gewichtsangleichung und -optimierung wie bei einer Diät, sondern auch eine Berücksichtigung individueller, biologischer Möglichkeiten und ggf. auch Hindernisse. Dies zu erkennen und vor allem ohne Zwänge und dem bösen Jojo-Effekt zu nutzen, steigert das körperliche Wohlbefinden, die Lebensqualität und damit auch das Trainingsziel langfristig.

Wer einsteigen möchte in diese Thematik im Allgemeinen oder aber auch aus ernsthaften Gründen – ob Sportler oder Otto Normalo -, dem seien folgende Lektüren und Links an die Hand gegeben:

  • PaläoPower: Das Wissen der Evolution nutzen für Ernährung, Gesundheit und Genuss – Überblickswerk zur Thematik (Juni 2013)
  • Das Paläo-Prinzip der gesunden Ernährung im Ausdauersport – jüngst erschienenes Print (Nov. 2013), das umfassend und praktisch informiert. Anreiz: kein Geringerer als Joe Friel hat hier mit dran geschrieben.
  • Paleo360 – bekannteste und umfassenste Paleo-Plattform. Rezepte, Hintergründe und Sofortstartkit. Alles da. Umschauen Pflicht!
  • Hannesmeatpaleo – privater Blog. Ein humorvolles „Tagebuch“ eines Sportlers über die Umstellung auf Paleo und die (Neben-)Wirkungen…

Edit Oktober 2017: Kürzlich erschien auf der Plattform „Deine Gesundheit“ ein sehr ausführlicher Artikel zu Paleo. Wer also weiterführend Empfehlungen und sogar Vorschläge für leichte und leckere Rezepte sucht, ist hier richtig. Schaut mal hier vorbei: deine-gesundheit.net » Paleo für Anfänger

Über den Autor

Raphaela

Erfolgreich als passionierte Sportlerin zu Rad und zu Fuss seit 2008 in Wald, Wiese und Flur unterwegs. Seit 2012 Teil der Test- und Autorencrew, schreibt sie für die Rubriken Literatur & Medien und Fitness & Ernährung.
Für alle Presse- und Medienangelegenheiten bei RuR ist sie eure Marketingfachfrau und Ansprechpartnerin (presse@rund-ums-rad.info).

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