Fitness / Ernährung

Zu viel des „Guten“ – Diagnose: Übertraining

Sport tut gut, hält gesund, jung und fit! Und: Sport macht den Kopf frei, wirkt gegen Gesellschaftskrankheiten wie Burnout, Stress, Übergewicht und vieles mehr. Dazu: Sport verbindet. Menschen jeden Alters, Geschlechts und jeder Herkunft. Was aber tun, wenn das Training keinen Spaß mehr macht, sondern zu einem immer lästigen Pflichtpunkt auf der „to-do-Liste“ mutiert? Wenn man sich über die Distanzen, Runden, Strecken und Minuten quält, statt Freude zu empfinden, Freunde zu Feinden werden, man nicht mehr abschalten kann? Wenn Infekte sich die Klinke in die Hand geben, nicht abreißen wollen und eine Verletzung die nächste jagd? Der (geheime) Teufelskreis, in den jede/r SportlerIn geraten kann – und das nicht erst im Leistungssportbereich! Wenn aus Gut zu viel wird…


uebertraining-neu_speed-fit.deWas man auch fast als „Burnout des Sportlers“ bezeichnen kann, nennen Sportwissenschaftler und Mediziner Übertraining. Kurz und bündig – und doch so niederschmetternd. Die Diagnose wie der Tatbestand die Wochen davor. Denn Übertraining macht sich primär immer durch für den Sportler/ die Sportlerin unerklärlichen Leistungsabfall mit schneller Ermüdbarkeit, geringer Belastbarkeit und besonders durch verzögerte Regeneration im Training bemerkbar.

Typische Symptome sind eine erhöhte Herzfrequenz, Schlafstörungen, emotionale Instabilität, erhöhte Erregbarkeit/ schnelle Reizbarkeit, leichtes Schwitzen, nächtliche Fieberanfälligkeit und verzögerte bis kaum Erholung.
Wegen Symptomarmut, da die Krankheit leider nur schwer erkennbar ist, zählen unter anderem aber auch Appetitlosigkeit, (schneller und hoher) Gewichtsverlust, Magen-Darmstörungen, verschlechterte Koordination dazu.

Wie kommt es aber zu Übertraining? Wenn über einen längeren Zeitraum wiederholt zu hohe Trainingsbelastungen, oft in zu hoher Intensität, durchgeführt werden zum Beispiel. Wird zwischen den Belastungsreizen nicht die nötige Regeneration gewährleistet, entsteht dabei nicht nur eine monotone Belastungen, die durch einseitige Trainingsmethodiken und -inhalte verschlimmert wird. Auch die Erholung leidet und wird zusätzlich zu stark verkürzt oder gar ganz vernachlässigt. Oben drauf kommt dann noch die Gesamtbelastung aus Schule, Ausbildung, Job, Familie, Privates, sowie Training oder ähnlichem. Ein fataler Cocktail. Auch fehlerhaft ist es nach einer Zwangspause (nach Verletzungen, Krankheit, Urlaub o.ä.) eine zu intensive Wiederaufnahme von Belastungen vorzunehmen. Wird die Belastung im Trainingsprozess zu rasch erhöht und fehlt dazu das Vertrauen zum Training/ Trainer oder es ist gar keine Trainigskontrolle vorhanden, die zur Mäßigung anhält, entwickelt sich vieles mehr zum Negativen als Guten. Ebenfalls problematisch ist es, wenn ein Übermaß an Wettkämpfen bestritten wird (häufig einhergehend mit Misserfolgen) oder auch eine übersteigerte Zielsetzung/ Erwartungshaltung vorherrscht (privates/ berufliches Umfeld oder Trainer).

Zu alle dem kommen zusätzliche Stressfaktoren wie Prüfungen, Überforderung in der Familie/ im Freundeskreis oder eine allgemeine Reizüberflutung. Auch wichtig zu beachten: das Gesundheitsbild der Athletin/ des Athleten. Machen Erkältungen, Magen-Darminfekt, Zahninfektionen Unwohlsein das Problem aus oder ist es die Lebensweise (ungenügender Schlaf, ausschweifendes Leben, Alkohol/ Zigaretten, schlechte Wohnverhältnisse, fehlende Freizeit, Unzureichende Ernährung bzw. Nährstoffdichte)? Hand auf’s Herz – wer lässt sich schon gern in die Karten gucken, vom „Quaksalber“ was sagen?! Leider riskiert man im schlimmsten Fall aber eben viel, viel zu viel und pokert auch noch um sein Leben.

Insbesonder im Breiten- und Hobbysport wird diese Diagnose leider all zu oft kläglich unterschätzt. Dagmar Schenten (Diplomsportlehrerin und Jugendleichtathletikcoach – Frankfurt/ Main) warnt gar davor, dass bereits im jugendlichen Alter Übertraining auftreten kann und im schlimmsten Fall nicht erkannt wird. Fatal für die Kindes- und Jugendlichenentwicklung. Und statt dass nach einem miesen Wettkampf/ Rennen mal nach den Ursachen geforscht und kritisch reflektiert wird, na, was machen die meisten dann? Richtig, sie trainieren noch härter. Sie gehen dabei aber nicht nochmal über Los, sondern ziehen direkt ein Ticket für Teufels Küche.

uebertraining_folgenTypische Erscheinungen von Übertraining sind das Gefühl schwerer Muskeln – bereits bei ungewöhnlich niedrigen Belastungen fühlen sich die Muskeln wie Beton an. Gepaart mit einer chronisch-bleiernden Müdigkeit und/oder Schlafstörungen geht die „Spritzigkeit“, der Elan verloren und die Infektanfälligkeit, sowie die Trainingsunlust nimmt zu. Eine Häufung von kleinen Verletzungen und das Gefühl „alles ist zuviel“ manifestieren sich. Spätestens HIER sollte man auf den Standstreifen wechseln und pausieren, recherchieren was falsch oder unrund läuft.
Übertrainierte Ausdauersportler sind vor allem in ihrer Schnelligkeit bzw. der Kurzzeitausdauer beeinträchtigt. Indikator wäre also, wenn die Intervalle nicht rund laufen wollen oder der Puls schlicht nicht im gewünschten Bereich landet (zu hoch/ niedrig). Wer sich einer Laboruntersuchung unterzieht, wird besonders im Blut fündig. Die Laktatkonzentration wird untypische Werte aufzeigen. Des Weiteren wird die Konzetration an Erothrozyiten (rote Blutkörperchen) verringert, die der Leukozyten (weisse Blutkörper) und Trombozyten hingegen erhöt sein. Alles in allem also eine ungünstige Konstellation.

Simple wie wirksamste Therapie an diesen Punkten: die hemmenden Ursachen ausschalten!
1. Trainingsintensität und Umfang reduzieren, nötigenfalls pausieren
2. Kürzere Trainingszeiten, eventuell Wechsel der Sportart / Disziplin
3. Dauermethode durch vermehrte Regeneration ausdünnen
4. Gespräche mit Trainer, Eltern/ Familie/ PartnerIn, soziales Umfeld, evtl. auch beim Arbeitgeber. Ziel: optimalere Bedingungen schaffen.
5. Gesamtbelastung überprüfen, reduzieren und Wege aus der Krise möglichst zusammen mit Umfeld suchen.

Und nun ein Satz, der vielen nicht gefallen wird: es kann mehrere Wochen dauern, bis sich der Zustand verbessert. Ja, und das ist auch gut so. Denn alle diese Ursachen und Syptome lassen sich nicht so flott aus der Welt schaffen, bedürfen wohlüberlegtes Vorgehen und Planen, Umgestalten und Koordinieren.
So, und damit es garnicht erst soweit kommt/ kommen kann, helfen folgende Punkte zur Vorbeugung:

  1. cover_frielGut abgestimmter Trainingsplan [Literaturtipp: Joe Friel – Die Trainingsbibel für Radsportler] mit
  2. Vielseitigkeit! Abwechslung im Training (z. B. blockweises Training verschiedener Schwerpunkte) sind der Schlüssel.
  3. Mut zur Pause! Nach intensiven Trainingsphasen (2-3 Wochen) min. 1 Woche regeneratives Training oder gar mal nix tun!
  4. Gute Kommunikation zwischen Athlet und Trainer, sowie privatem Umfeld. Tipp:  Trainingsbuch führen!
  5. Maßhalten! Eine Verbesserung der Erholungs- und Belastungsfähigkeit erfolgt langsamer als eine Belastungssteigerung gewünscht ist. Tempo zügeln, Umfänge bedacht verändern.
  6. Oberste Priorität: Spaß im Training! Muss man sich zum Training zwingen, macht es keinen Sinn. Weiter pausieren, andere Sportarten ausprobieren wenn es garnicht anders geht 😉
  7. Relax! Bewusste, vielleicht auch rituelle Regerationsmaßnahmen austüffteln, um der Erholung einen festen Bestandteil am Training beizumessen. Bewusst einplanen und einhalten. Dazu gehören ausreichend Schlaf ebenso wie eine
  8. Gesunde Ernährung. Jeder muss wissen, welche Kost er/sie am besten vor/ während/ nach Belastung verträgt. Wichtig ist: die Speicher nach dem Training wieder füllen! Natürlich, es ist ein Spagat für eine kontinuierliche, ausgewogene Mischkost im Spiegel einer negativen Energiebilanz zu sorgen. Aber es ist über eine normale Ernährung ohne Askese und Ergänzungsmethoden möglich! No Doping!

Für eine/n RadpsortlerIn bedeutet dies nun vor allem in erster Linie: Finger weg vom Rad! „Was einem ja eh schon meist lästig geworden war, sollte man dann zumindest für eine Weile stehen lassen“ raten Experten. Was mancher sich nicht vorstellen kann, ist aber vor allem die Lösung in solchen kritschen Fällen. Oftmals fällt es einem in solchen aktuen Fällen aber auch eher leicht auf das Zweirad zu verzichten. Mancher räumt es in dunkle Ecken weg, wirft für eine gewisse Zeit dann ein Tuch darüber. Was nach Verdrängung aussieht, ist aber vor allem wirkungsvoll. „Über visuelle Reize empfindet der Mensch Hochgefühle. Sportler ziehen daraus ihren „Kick“. Aber auch Negativfeedback wie Schmerzen, Verluste oder Niederlagen nehmen wir vor allem visuell wahr. Werden dieses Reize also besonders in der empfindlichsten Zeit zunächst ausgeblendet, hilft es über schwarze Stunden, Tage, Wochen hinweg und ermöglicht einen (therapeutischen) Neustart.“ sind sich Sportwissenschaftler einig.

Wer also eine lange Jahres-/ Saisonplanung sich vorgenommen hat und dabei vor allem immer häufiger Trainingslöcher und -tiefs überwinden muss und/ oder neue Motivationskicks sucht, sollte die oben aufgeführten Punkte, Faktoren und Strategien nochmal aufmerksam lesen. Allgemein gilt: öfter seine Trainingsstrategien nach- bis überdenken. Wer nun leicht bis stark rotes Licht sieht: nötigenfalls Rat suchen – das kann bei Bikekollegen ebenso sein, wie bei Spezialisten wie Ärzten, Therapeuten, Trainern.

Wie wussten schon die Chinesen:
Ein Körper muss sich erst entspannen, um sich wieder voll anspannen zu können.

In dem Sinne: bleibt gesund und macht ruhig mal Pause! 😉

Über den Autor

Raphaela

Erfolgreich als passionierte Sportlerin zu Rad und zu Fuss seit 2008 in Wald, Wiese und Flur unterwegs. Seit 2012 Teil der Test- und Autorencrew, schreibt sie für die Rubriken Literatur & Medien und Fitness & Ernährung.
Für alle Presse- und Medienangelegenheiten bei RuR ist sie eure Marketingfachfrau und Ansprechpartnerin (presse@rund-ums-rad.info).

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