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Das ewige Leid

„Mountainbiking is not a crime!“
Dieses Motto vertritt wohl jeder Mountainbiker von uns. Ganz unberechtigt ist diese Behauptung allerdings nicht. Wer von uns fährt schon ein verkehrssicheres Fahrrad mit Reflektoren, Schutzblechen und Licht?


Richtig, erstens wird es im Gelände nicht gebraucht, zweitens ist es nur überflüssiges Gewicht und drittens will sich natürlich jeder MTBler vom „normalen“ Fahrradfahrer abheben und sich mit einem Mountainbike identifizieren. Mit Licht und dem restlichen Klimmbimm sieht es natürlich nicht nach einem Geländefahrrad aus!

Soweit ist schon jeder von uns – selbst die Beginner schrauben als Erstes ihre Reflektoren ab und verstauen die Schutzbleche im Keller für die nassen Jahreszeiten – wenn überhaupt.
Zur Ausübung unseres allseits geliebten Sports braucht man jetzt nur noch das passende Terrain.
Der Dirtjumper benötigt möglichst aus Lehm geformte Sprünge.
Der Streetbiker seinen Skatepark und die urbane Landschaft mit all seinen Treppen, Wänden und Geländern. Der Downhiller braucht allerdings wieder eine anspruchsvolle Strecke querfeldein, über Wurzeln, Steinen, Sprüngen und Steilabfahrten.
Wenn wir jetzt unseren Sport weiter beleuchten, stellen wir fest, dass man sich als Anfänger unmittelbar auf privatem Gelände bewegt.
Dirt? Wer von uns hatte schon zu Beginn seinen Dirtpark, evtl. sogar von der Stadt gestellt und konnte dort ungestört dem Hüpfen nachgehen?
Die Meisten von uns sind einfach rausgegangen, haben die Schippe in die Hand genommen und an einem für sie passenden Spot losgebuddelt. Hauptsache die Location passt, fernab von Fußwegen, tief im Wald oder aufm dem Feld.
Monat für Monat wurden die Rampen größer und größer und irgendwann wurde man entdeckt.

Wer von uns wurde noch nie mit seinem Streetbike aus der Fußgängerzone, vor einem Neubau mit all seinen schönen Wallrides, Treppen und Obstacles verscheucht?
Oder sogar, wie sicherlich der ein oder andere von euch, und wie es mir in meiner „Skaterkarriere“ erging, von einem Securitymann quasi mit Schadensersatzansprüchen verjagt?

Wer musste noch nie am nächsten Tag seinen heiß geliebten Trail in „Schutt und Asche“ wiedersehen? Das Bergabfahrrad parat, die Montur an, sogar frisch gewaschen, denn am Wochenende steht ein Rennen an und man wollte nur noch kurz die Kurve üben.

Und nun stand man da, entweder mit der versandeten Hose an einem warmen Nachmittag, fand sich beim nächsten Fastfoodstop seines Vertrauens wieder, machte eine Lagebesprechung welcher Streetspot als Nächstes in Angeriff genommen wird oder versuchte die durch die Zerstörung aufkommende Wut zu bändigen und fuhr trotzdem den Trail entlang, an all den schönen Sprüngen vorbei …

Diese Erfahrungen hat sicher jeder von uns schon mehrmals gemacht. Irgendwann ist es aber soweit, dass man sich überlegt, ob man nicht etwas Eigenes auf die Beine stellt. Einen eigenen Dirtpark oder zumindest erstmal eine Line.
Oder man geht zum nächsten Jugendzentrum und fragt, ob sie Kontakt zur Stadt herstellen können, denn auf dem Basketballfeld ist doch sicherlich noch etwas Platz für ein paar Skaterampen.
Und wenn der Trail nach einem Monat wieder dem Erdboden gleich gemacht wurde. Es wurde sogar mit Forstmaschinen gearbeitet und halbe Meter tiefe Furchen klaffen kreuz und quer auf dem Trail.
Entweder man ist kreativ, nutzt die auf den ersten Blick ärgerlich erscheinende Zerstörung oder man wendet sich doch mal an den zuständigen Förster oder Pächter.

Dies alles beschreibt zur Zeit die Situation in und um Hannover.
Nach einigen Jahren Planungsarbeit, Plenumssitzungen mit der Stadt, dem Umweltdezernat und anderen Behörden entsteht langsam der erste legale Dirtpark.
Auch der erste für Streetfahrer taugliche Skatepark ist mittlerweile mit von der Partie, denn die anderen Parks sind meist mit Hinweisschildern ausgestattet nur von Skatern zu befahren.
Doch auch die Förster klagen über den rasanten Anstieg von Fahrradfahrern aller Disziplinen, die mit ihren Stollenreifen den Boden kaputt machen und die Tiere verscheuchen. Auch hier zeichnet sich eine Lösung mit der Region ab, die zusammen mit Zuständigen in Zukunft ein Trailnetz entwickeln will, dass dann auch legal von Downhillern befahren werden darf.

In der ganzen Euphorie über euren neuen Spot, wovon ihr vielleicht schon ein 3D-Modell erstellt habt, genau wisst, wo welches Obstacle stehen soll, muss ich euch aus meiner Erfahrung leider den Wind aus den Segeln nehmen.
Aus den geschätzten drei vier Monaten sind mittlerweile drei Jahre geworden. Unsere Entwürfe hatten wir zeitweise auch komplett über den Haufen geworfen, da wir hier und da Abspriche machen mussten.
So schade es klingt, wir und sicherlich auch alle anderen die an solchen Projekten arbeiten, müssen sich auf das Nötigste reduzieren. Die Interessen von den Eigentümern haben Vorrang. Man entwickelt einzig und allein einen Kompromiss, von dem beide Parteien profitieren können.
Und genau dies ist der Grund für immer wiederkommende Verzögerungen und Abstriche.

Was ich damit sagen will, ist, dass der Zeitraum von dem Punkt an, wo ihr die Nase voll habt, bis dahin, wo euer Traum von einem eigenen Gelände lange Zeit in Anspruch nimmt.
Es kann auch mal sein, dass ihr wieder von Vorne anfangen müsst, wenn euch ein bestimmter Ort verwehrt bleibt und ihr mit eurem ehemaligen Lieblingspot umziehen müsst.
In all den Jahren von Frustration und aufkommender Hoffnung haben wir gelernt optimistisch zu bleiben. Man muss an der Sache dran bleiben und sich kümmern.
Denn von Nichts kommt Nichts.
Versucht die nahe Bevölkerung auf eure Seite zu bekommen. Macht eine Umfrage und ihr werdet sehen, dass unser Sport, trotz all der für Nichtbiker negativen Seiten, doch Anklang findet.

Mit Verständnis auf beider Seiten ist viel gewonnen und eurem eigenen Bikespot, egal welcher Disziplin ihr nachgeht, ist viel geholfen, wenn er mit eurem Support am Leben bleibt. Denn nur so wächst unser Sport und etabliert sich in der Toleranz der Nichtbiker, die sonst nicht wissen was sie mit uns anfangen sollen.

„Mountainbiking is not a crime!“ ©

It’s a lifestyle – it has to be lived!

 

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Rund ums Rad | Outdoortest-Team

1 Kommentar

  • Das sieht ja bei euch nicht so rosig aus für MTBler. Bei uns in Baden-Württemberg sind Natursportarten faktisch verboten, für Kletterer und Kanufahrer gibt es Ausnahmeregelungen – allerdings sind die Einschränkungen beträchtlich.

    Für MTBs gilt die allgemeine Fahrradregelung, d. h. Radfahren ist in freier Flur nur auf Wegen mit mindestens 2 m Breite gestattet. Damit steht z. B. das Forstwegenetz der Schwäbischen Alb zur freien Verfügung. Trails allerdings können laut Gesetz nicht befahren werden, denn die sind ja sehr schmal. Dabei wäre das Wanderwegenetz des Schwäbischen Albvereins ganz ideal für MTBler. Aber, wo viel Verbote, da viel Schlauheit. Man versucht, was geht und stellt fest, dass die Wanderer größtenteils dem MTB gegnüber recht aufgeschlossen sind, sofern man etwas Rücksicht auf sie nimmt. Am Wochenende sollte man die Wanderwege eben meiden, falls dort viel Fußvolk zu erwarten wäre.
    Bei den Förstern gibt es inzwischen auch MTBler, und selbst die Jäger verhalten sich meist recht freundlich.

    Wenn man also auf irgendwelche Bike-Anlagen verzichten kann, sieht es bei uns für MTBler gar nicht so schlecht aus.

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