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Kritische Masse der Verkehrszustände – Critical Mass

Critical Mass – zu deutsch „kritische Masse“ – bezieht sich in dem Fall nicht auf Atmophysik, sondern betrifft uns Fahrradfahrer. Aber auch alle anderen Verkehrsteilnehmer gegen deren Verhalten aufbegehrt wird. Denn Critcal Mass ist eine friedliche Demonstration, die doch keine Demonstration ist. Und doch demonstrieren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Es handelt sich aber nicht etwa um eine neue Bezeichnung für Flashmob mit Fahrradfahrern. Aber um sowas ähnliches. Äh, wie jetzt?!

Zugegeben wir Zweirad- und Fahrradfahrer sind nicht immer die frommen Lämmer. „Natürlich“ benehmen auch wir uns wie jeder andere (Verkehrs-) Teilnehmer auch (!!) nicht immer vorschriftsgemäß, regelgerecht und ohne Tadel. Rote Ampel? Nicht für den Velofahrer! Fußgängerzone schieben? Nicht wenn man slowmotionhaft Slalom fahren kann.  ABER im öffentlichen Straßenverkehr haben wir wahrlich nichts zu lachen. Wie oft werden wir da Opfer von rüden Attacken, Beschimpfungen oder werden schlichtweg bewusst (!) von anderen Verkehrsteilnehmern übersehen, die Vorfahrt genommen oder gar Unfälle mit schweren Folgen für die Zweiradfahrer billigend in Kauf genommen. Man braucht nicht zu erwähnen, dass das muskulär betriebene Fortbewegungsmittel nicht nur kleiner ist, sondern anturgemäß auch den Kürzeren mit zum teil dramatischen Folgen zieht

Das Schlimme daran ist vor allem aber: das sind für beide Seiten Fakten und keine Anprangerei. Die Mehrheit kann das sofort mit einem Kopfnicken bestätigen. Sicher, es gibt auch die Außnahmen der Regel. Zum Beispiel die Pedalöre, die gegenüber Fußgängern (verbal) rüde zu Werke gehen. Grenzwertige Siutationen kennen wir ja alle, irgendwie… Wie schrieb noch die taz jüngst „Regelverstöße die Leben retten.“ Wie so oft geht es aber eben nur miteinander und nicht gegen jede/n.

Worum es HIER bei einer Critical Mass aber geht ist ein bisschen anders gelagert. Eingangs wurde davon geschrieben, dass demonstriert wird ohne eine Demonstration vorzunehmen. Wie das? Eine Critical Mass macht sich gesetzliche Schlupflöcher nützlich – den „Zivilen Ungehorsam“ zum Beispiel. Eine Demonstration muss besonders bei einer größeren Anzahl von erwarteten Teilnehmern angemeldet werden. Oftmals also mit bürokratischem und finanziellem Aufwand verbunden, die allen Aktionismus und den Hintergrund auffressen kann.
Eine Critical Mass ist gewissermaßen nun aber ein offenes Treffen von Fahrradfahrern, vergleichbar wie einem Treffen mit Freunden – „ein organisierter Zufall“ (Zitat Critical Mass Köln). Über „Stillepost“ oder Homepage-Ankündigungen wird von den Organisatoren ein Treffpunkt und eine Uhrzeit bekannt gegeben. Wer möchte, kann sich ungezwungen anschliessen, während der Tour mit ein oder auch aussteigen. Freunde von Freunden sind herzlich eingeladen, Kreativität und Aktionismus sind gefragt. In gewisser Weise also auch ein Flashmob, nur ohne wirklichem „Flash-Charakter“. Es wird keine kurze, maximal 10 minütige Aktion durchgeführt, sondern eine mehrstündige, sich bewegende.

Ziel ist dabei für mehr Rücksichtnahme gegenüber Fahrradfahrern und anderen Verkehrsteilnehmern im öffentlichen Straßenverkehr, für mehr umweltbewusstere und umweltfreundlichere Fortbewegungsformen und vieles mehr zu werben. Wichtig ist dabei, gewisse Regel des Miteinanders zu befolgen, damit die Aktion ein Erfolg wird. Dazu gehört z.B., dass der öffentliche Straßenverkehr nicht behindert und die StVO eingehalten wird. Ebenso sind auch Helme und in in den dunklen Tagen, sowie bei Abendveranstaltungen ausreichende Licht- und Reflektorenanlagen obligatorische Pflicht.

Seit 1992 gibt es diese Protestform; natürlich ist sie mal wieder von den „Amies“ rübergeschwappt (aus San Francisco). Ab 1997 gibt es CMs auch in Deutschland. Damals in Berlin gestartet, finden inzwischen regelmäßig Critical Masses in deutschen Großstädten (Hamburg, Bremen, Berlin, Dresden, Jena, Hannover, Dortmund, Bochum, Essen, Köln, Bonn, Braunschweig, Marburg, Frankfurt/ Main, Mannheim, Nürnberg, München, Stuttgart, Freiburg/ Breisgau u.a.), meist an einem definiertem Wochentag im Monat, aber auch zu besonderen Anlässen (nationalen wie internationalen Feier- und/oder Gedenktagen z.B.), statt. Und auch in andere europäische Metropolen schwappte die Protestwelle über (Beispiele: Budapest, London, Wien, Basel, Moskau, Lissabon). Dabei erzielen die CMs beachtliche Teilnehmerzahlen von bis zu mehreren hundert Pedelören. Die bisher größte CM fand in New York August 2004 anlässlich des Parteitages der Republikaner um G. W. Bush Jr. statt und brachte knapp 4.000 Fahrradfahrer_innen zusammen auf die Straße.

Auch hier kann man wieder über die (Un-) Sinnhaftigkeit einer derartigen Protest- oder Demonstrationsform debattieren. Was für die öffentlichen Gesetzteshüter Wasser auf die Mühlen wäre; die sehen diese Proteste nicht so arg gerne (mitunter sind mit Verhaftungen und Konfisszierungen von Fahrrädern als Folge zu rechnen). Angesichts aber der stetig wachsenden Mobilitätszwänge, sollte man sich nicht nur in Ballungsräumen stetig mehr Gedanken über eine grünere Fortbewegung, sondern auch eine gesunde, harmonische Atmosphäre um sich sorgen. Und die fängt nicht erst bei uns an – sie hört beim Verhalten gegenüber der Umwelt auf. Die Critical Mass ist also eine interessante und kreative Form, auf Missstände aufmerksam zu machen und auf ein friedliches Miteinander von allen Fortbewegungsmitteln und -formen im öffentlichen Straßenverkehr hinzuweisen. Wenn man sich selbst an die Regeln und Gesetze hält versteht sich 😉

Wer selbst einmal Teil einer solchen Aktion sein und/oder sich ein Bild machen möchte, schaue doch einmal im WWW nach; dort finden sich neben Facebook-Gruppe(n) auch andere Homepages zum Thema, sowie Bekanntmachungen wie, wo, wann eine Aktion geplant ist.

Über den Autor

Raphaela

Erfolgreich als passionierte Sportlerin zu Rad und zu Fuss seit 2008 in Wald, Wiese und Flur unterwegs. Seit 2012 Teil der Test- und Autorencrew, schreibt sie für die Rubriken Literatur & Medien und Fitness & Ernährung.
Für alle Presse- und Medienangelegenheiten bei RuR ist sie eure Marketingfachfrau und Ansprechpartnerin (presse@rund-ums-rad.info).

3 Comments

  • „obligatorisch“ = es wird vorausgesetzt. In dem Fall wird vorausgesetzt zu wissen, dass es diese Regelung gibt.
    Regelung -> Pflicht = vom Gesetzgeber vorgeschrieben. Bei jeder Radpsortveranstaltung oder einem Veloevent ist es vorgeschrieben; ohne Helm wird nicht gestartet. Egal wobei.
    Übersetze Vorschrift mit Pflicht. Voila.

    Oder spielt die Frage an auf eine (!) ALLGEMEINE HELMPFLICHT?
    Damit hat das in diesem konkreten Fall nichts zu tun. Dann würde es sich aber auch erübrigen diesen Tatbestand gesondert zu erwähnen. Und wäre auch anders formuliert worden.

    Außerdem – nicht nur persönlich, sondern auch für Verbände, Radsportvereine und Organisatoren im Radsport gesprochen – stellt sich nicht die Frage, ob ohne oder mit Helm. Jede/r hat genau EIN LEBEN. Dies zu schützen sollte selbstverständlich ( = obligatorisch) sein.
    Berücksichtigend der BGH-urteile besteht eben ohne Helm kein Versicherungschutz mehr – das war im Übrigen auch davor schon so.

    „Es ist in die Sorgfallspflicht jedes einzelnen selbst gelegt, sich ausreichend zu schützen. Sonst erlischt der Versicherungsschutz.“
    Damit ist nicht gemeint, dass wenn man persönlich meint „ach, ich brauch kein Helm“ – sonder wie die Versicherung das definiert. Das sollte man mal im eigenen Versichertenrecht nachlesen.

    VG

  • Du lieber Himmel, was war das denn? Es wird vorgeschrieben, dann wieder eigentlich nicht, aber eigentlich dann doch. (obligare „anbinden, verpflichten“.)
    Geht es hier noch ums Radfahren?

    Auch ohne Fahrradhelm besteht i.d.R. Versicherungsschutz.
    HUK-Coburg ändert Massstäbe in der Haftpflicht – Folge auf Rechtsprechung 7 U 11/12, aber AXA und R+V Versicherung warten ab, Ergo bietet auch ohne Fahrradhelm weiter Versicherungsschutz.
    http://m.focus.de/finanzen/versicherungen/nach-fahrradhelm-urteil-huk-kuerzt-zahlungen-fuer-fahrradunfaelle-ohne-helm_aid_1024112.html

    Fahrradhelme schützen auch nicht wirklich – ein bisschen weniger vorauseilender Gehorsam bitte!

    Und bei diesen Veranstaltungen sind Helme auch nicht obligatorische Pflicht!
    http://www.criticalmass-hamburg.de

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